Freitag, 6. März 2020

Was niemand sieht

Hallo da draußen!


Diese Gesellen mit den hübschen Häuschen trifft man ja demnächst wieder vermehrt im Garten, aber eine wohnt bei uns.
Ich nämlich!
Es geht vieles nicht mehr so schnell oder nicht auf einmal.
Schuld ist mein Lymphoedem im Arm mit Kompressionsversorgung und das Fatigue Syndrom.

Das zu akzeptieren und den Alltag entsprechend umzugestalten ist ein langer Weg für uns alle.

Vor der Diagnose hab ich locker das Bad geputzt und anschließend noch die Wohnung komplett gesaugt und gewischt oder alle 5 Fenster in einem Ritt möglichst noch nach nem Frühdienst geputzt oder meinen und den Pflegegarten in einer Stunde gemäht.
Jetzt putzt ich das Bad und das war’s.
Saugen und noch wischen no way!
Alle 5 Fenster??? Höchstens 2!!!
Rasenmäher überlass ich meinem Schatz.
Und so weiter.

Zum einen macht das mein Arm nicht mit und zum anderen bin ich relativ schnell erschöpft.
Oder was noch schwieriger ist, ich kann an einem Tag die Welt einreißen, 20km laufen oder im Garten hantieren oder zu Hause, um dann die nächsten beiden Tage schönstes Fatigue zu haben.

Warum ich das schreibe?
Weil ihr da draußen das für gewöhnlich nicht mitbekommt.
Ihr lest meine Berichte, ihr seht Fotos und ich lass euch teilhaben, wenn ich unterwegs war.
Und ich schätze dem ein oder anderen wird schon mal der Gedanke gekommen sein, der geht’s doch gut, krank sieht die aber nicht aus, ich denke die hat Depressionen, ....
Genau das ist das Problem von Millionen von Patienten, die solche unsichtbaren Krankheiten haben.
Man sieht sie ihnen nicht an und sie müssen sich immer und immer wieder erklären teils rechtfertigen.

Mein Lymphoedem sieht man schlicht und einfach durch den Kompressionsstrumpf. Und meine sind nun mal farbig und somit gut sichtbar.
Der Arm an sich entspricht aber optisch nicht dem klassischen Lymphoedem, was man so kennt. Ich hatte einfach gute Therapeuten und Ärzte und wurde sehr zeitig versorgt.

Meine Narben von der beidseitigen Brustamputation sieht natürlich keiner, ich hab ja was an.
Aber ich trag auch keine Epithesen. Hanni und Nanni fristen ihr Dasein zu 90% im Schrank.
Natürlich tun die Narben ab und an weh, wenn das Wetter wechselt, wenn ich mal den Arm zu weit gestreckt hab oder auch, wenn es Zeit wird für die nächste Lymphdrainage. Aber das sieht man ja nicht.

Mein Fatigue ist unsichtbar, aber sehr mächtig, wenn es die Oberhand gewinnt.
Das ich schneller erschöpft bin, das kauft man mir ja noch ab.
Aber das ich manche Tage einfach nur unsagbar müde bin?
Von was eigentlich?
Tja, wenn ich das wüßte, wenn die Ärzte das wüssten, wären wir mit Sicherheit schon an einer Lösung dran. Damit wäre vielen geholfen.
Gut
Ja und die Depression?
Bedeutet nicht, das man permanent traurig ist oder schlecht drauf.
Man hat auch ganz viele gute Tage, wohl auch weil es Antidepressiva gibt.
Aber der Effekt, das Gefühl was man dabei hat oder die Eindrücke, die halten nicht so lang an, die sind nicht so intensiv abrufbar aus der Erinnerung.
Dazu kommt, das man oft schlecht schläft, über vieles nachdenkt und sich teilweise so richtig in einem Kopfkino verstrickt, das einfachste Sachverhalte sich zu riesigen Problemen auswachsen können, das man keine Lust zu gar nix hat usw.
Die Gesichter einer Depression sind vielfältig.

Und das sind die Dinge, die eben keiner oder nur wenige sehen.

Deswegen lasst euch nicht vom äußeren Bild täuschen, blickt auch mal hinter die Kulissen oder fragt nach.
Denn es gibt genug Symptome und Zustände, die weder ich noch andere nach außen tragen, weil wir in dem Moment nicht können, es unter Umständen nicht wollen oder weil wir damit nicht klar kommen.

Eure Anett

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